Ohne Menschenwürde keine Demokratie – ohne Demokratie keine Menschenwürde
Erklärung des Landeskatholikenausschusses in Niedersachsen anlässlich des 75. Geburtstages unseres Grundgesetzes am 23. Mai 2024
Unser Grundgesetz ist auch nach 75 Jahren eine stabile Grundlage für unsere Demokratie.
Wir treten ein für eine wehrhafte Demokratie. Das Grundgesetz ist das Fundament, aber
wir Bürgerinnen und Bürger tragen die Demokratie. Unser Denken, Fühlen und Handeln
sichert Freiheit, Toleranz und Gerechtigkeit.
Wir setzen uns dafür ein, dass wir das im Grundgesetz postulierte Recht auf Widerstand
zum Schutz unserer demokratischen Ordnung nicht nutzen müssen, weil wir die Feinde der
Demokratie schon vorher zu Fall bringen. Deshalb bekämpfen wir Extremismus von rechts
und von links und sagen nein zum Fundamentalismus jeglicher Art.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ so steht es von Beginn an im Grundgesetz. Ein
für Christinnen und Christen zentrales Motiv, das unter dem Titel “Personalität” als erstes
Prinzip in der christlichen Sozialethik verankert ist.
Die Würde des Menschen steht am Anfang. Sie ist allem anderen vorgelagert. Nichts soll
geschehen, ohne auf diese Würde zu achten und alles soll getan werden, die
Menschenwürde zu schützen.
Die Würde aller Menschen soll geachtet und geschützt werden, egal, ob hier geboren und
aufgewachsen oder nach Deutschland geflüchtet oder als Arbeitskraft zugezogen.
Doch im tatsächlichen Leben ist auch in der Bundesrepublik dieses Grundrecht nicht immer
und nicht immer uneingeschränkt beachtet worden. Das Grundgesetz verpflichtet nicht nur
den Staat, die Menschenwürde „zu achten und zu schützen“. Auch alle Bürgerinnen und
Bürger haben die „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte“ zu wahren.
Damit wird die Menschenwürde auch zum Maßstab für das Handeln des Einzelnen wie der
in Deutschland tätigen Gruppen, Vereine und Organisationen. Die Würde des Menschen ist
im privaten, im gesellschaftlichen, im politischen und im wirtschaftlichen Leben zu
beachten, weil sie überall unantastbar ist.
Die Gottebenbildlichkeit des Menschen ist für uns als Glaubende der Wesensgrund der
Menschenwürde. Sie darf nicht für vermeintlich höhere Ziele missachtet werden.
Die Missbrauchsskandale in unserer Kirche belegen, auch Verantwortliche in der Kirche
haben nicht verstanden oder nicht verstehen wollen, dass die Menschenwürde nicht relativ
ist. Unabhängig von dem Leid der missbrauchten Kinder und Jugendlichen werden wir als
Kirche mit diesem Schandfleck leben und in der Welt dennoch Gutes bewirken müssen.
Trotz dieser Fehlleistung werden wir uns dafür einsetzen, dass Kinder überall besser vor
Missbrauch geschützt werden und der Staat und die Gesellschaft mehr tun, um die Fehler
der Vergangenheit in allen Bereichen aufzudecken, die Taten der Gegenwart zu entdecken,
den Betroffenen zu helfen sowie die Täter und Täterinnen zu bestrafen.
Im Bewusstsein unserer Verantwortung vor Gott und den Menschen
Vor dem Hintergrund der Erfahrung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft legten die
Mütter und Väter des Grundgesetzes fest, dass Artikel 1 ewig gelten soll und die
Grundrechte in ihrem Wesensgehalt nicht veränderbar sind.
Nach 75 Jahren bekennen wir als katholische Christinnen und Christen, vieles konnte richtig
gemacht werden, doch die Fehler der Vergangenheit und die Probleme der Gegenwart
lassen uns demütig sein. Gleichwohl steht für uns fest, der Auftrag bleibt: Die
Unantastbarkeit der Menschenwürde ist sicherzustellen.
Aus den Fehlern der Vergangenheit wollen wir lernen, um zukünftig weniger falsch und
mehr richtig zu machen.